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Seltene antiquarische Bücher

Insel-Bücherei – "Ein wohl durchdachtes Unternehmen"

Es war ein "seit langem sorgfältig vorbereitetes und wohl durchdachtes Unternehmen", mit dem der Leipziger Verleger Anton Kippenberg da im Jahre 1912 an die Öffentlichkeit ging. Dieses Unternehmen, so war dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel zu entnehmen, solle "den Namen Insel-Bücherei führen und freundlich ausgestattete gebundene Bändchen umfassen, die jedes fünfzig Pfennig kosten."

Nun, das Unternehmen war so durchdacht, dass die Insel-Bücherei heute zu einer der bemerkenswertesten Buchreihen der Welt gediehen ist und sich vor allem in Sammlerkreisen ungebrochener Popularität erfreut. Dazu trägt vor allem der schier unerschöpfliche Reichtum an Varianten innerhalb der auf mittlerweile über 1350 Nummern angewachsenen Reihe bei. Dieser Anzahl an Nummern steht eine erheblich höhere Anzahl an verschiedenen Ausgaben gegenüber. Gründe dafür sind vor allem: Doppelbelegungen einzelner Nummern sowie unzählige Einband- und Textvarianten.

Von den ersten zwölf Ausgaben an, die im Gründungsjahr auf den Markt kamen, bestach die Reihe durch hochwertige Auswahl der Texte und editorische Sorgfalt. Von Hand gesetzt, mit am jeweiligen Text orientierten Schriften, dabei in Format und Einbandgestaltung mit hohem Wiedererkennungswert und somit auch Sammelwürdigkeit ausgestattet.

Der erste Band der Insel-Bücherei, Rilkes Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke hat es bis heute auf eine Gesamtauflage von über einer Million Exemplare gebracht, was umso bemerkenswerter ist, da der ursprüngliche Verleger des Textes, Axel Juncker, aus Frust über die niedrigen Verkaufszahlen die Rechte am Titel für damals 400 Mark an Anton Kippenberg verkauft hatte. Juncker hatte eine Auflage von 300 Exemplaren gedruckt, war darauf sitzen geblieben und musste nun erstaunt, aber auch fasziniert mit ansehen, wie sein Verlegerkollege aus diesem Flop einen Erfolg machte. Am 3. August 1912 schrieb Juncker an Marie von Thurn und Taxis: "Der Cornet ist nun in derselben Sammlung aufs Neue gedruckt worden und hat seinem jetzigen Verleger die vergnüglichste Überraschung bereitet, stellen Sie sich vor, 8000 Exemplare in 3 Wochen [...] der Himmel weiß, wie es zugeht."

Mit seiner nunmehr einhundertjährigen Geschichte spiegelt die Insel-Bücherei auch die Wirren des deutschen Verlagswesens durch die Zeitläufe. Während des ersten Weltkrieges spiegelt sich zeitweilig Nationalgefühl und Kriegsbegeisterung auch im Programm der Reihe, unter der Naziherrschaft versucht Kippenberg so gut es geht, sich dem Zugriff durch die Reichsschrifttumskammer zu entziehen, Titel wie die Altjüdischen Legenden von Bin Gorion landen auf den Scheiterhaufen der braunen Monster. Gleichwohl schaffte es der Verlag, die Produktion und Verbreitung der Insel-Bücherei auch in dieser Zeit auf einem beachtlichen Niveau zu halten, nicht zuletzt durch die Beteiligung am Winterhilfswerk der Nazis. Hier zeigt sich durchaus auch in diesem Mikrokosmos die ganze Zwiespältigkeit der Zeit.

Für Sammler brachte der Krieg im Dezember 1943 ein bemerkenswertes Ereignis hervor. Bei einem Luftangriff ging das Leipziger Lager des Verlages in Flammen auf, diverse Erst- und Nachauflagen fielen den Flammen zum Opfer. Diese Nacht brachte das vielleicht gesuchteste Insel-Bändchen aller Zeiten hervor, die Nummer 313/2 mit dem Titel Gedichte des deutschen Barock. Knapp fünfzig vorab bereits verschickte Exemplare dieses nie wieder offiziell aufgelegten Insel-Bücherei-Bandes sollen sich erhalten haben, so dass selbst die umfangreichsten IB-Sammlungen sich kaum mit dieser Preziose schmücken können. Nach dem Krieg teilte sich, wie das Land, auch der Insel-Verlag. Leipzig und Frankfurt bzw. Wiesbaden in den ersten Nachkriegsjahren bis 1960 waren fortan die Publikationsorte der Reihe. 1991 wuchsen beide Teile in Frankfurt wieder zusammen, und seit 2010 ist mit dem Umzug der Suhrkamp-Gruppe nach Berlin die Hauptstadt auch neuer Publikationsort der Insel-Bücherei.

Heute wirkt die Insel-Bücherei bisweilen wie eine anachronistische Festung gegen die immer höhere Drehzahl im Buchgeschäft. Scheinbar unbeeinflusst von Moden, Trends und immer neuen Entwicklungen im Verlagsgeschäft, hat sich der optische und inhaltliche Anspruch der Reihe bis in unsere Tage erhalten und fällt damit in einem durchaus positiven Sinne ein wenig aus der Zeit.

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