Sara B. Elfgren arbeitet als Drehbuchautorin und Dramaturgin und feiert mit ihren Film- und Fernsehproduktionen in Schweden große Erfolge.
Interview mit den Autoren Sara B. Elfgren und Mats Strandberg: „Engelsfors-Trilogie – Zirkel, Feuer, Schlüssel“
Geführt von Katja Muissus, Dressler Verlag
Warum habt ihr euch entschieden, das Buch gemeinsam zu schreiben?
Mats: Ich hatte gerade mein drittes Buch beendet und ich hatte es satt, immer allein zu arbeiten. Es ist eine ziemlich einsame Arbeit, eine gute Arbeit, aber eine sehr einsame. Schon nach unseren ersten Gesprächen habe ich plötzlich gemerkt, dass wir zusammen so viele gute Ideen hatten.
Sara: Und dabei hatte er noch nie etwas von mir gelesen, höchstens eine fünfseitige Inhaltsangabe. Es war wie: Oh, ich habe da gerade jemanden getroffen, lass uns doch zusammen ein Buch schreiben!
Mats: Manchmal muss man eben die Gelegenheit ergreifen, weil es sich einfach genau richtig anfühlt. Auch, wenn alle anderen sagen, dass es richtig böse ausgehen kann.
Wie schreibt man denn eigentlich gemeinsam ein Buch?
Sara: Jeder schreibt zwei Kapitel, dann tauschen wir. Das heißt: Ich schreibe zwei Kapitel, gebe sie Mats, bekomme sie wieder zurück und wir gehen sie gemeinsam durch. Wir haben ein Farbsystem: Alles, was uns nicht gefällt, markieren wir gelb; was uns sehr gut gefällt, markieren wir blau, und alles was wir besprechen wollen, wird grün.
Mats: Niemals sagen »ich mag zwar deine Idee überhaupt nicht, aber ich akzeptiere sie, weil ich dann meine eigene Idee durchsetzen kann«. Das machen wir nicht. Jeder einzelne Punkt, jeder Satz des Buches muss uns beiden gefallen.
Wo seht ihr die größten Stärken des anderen?
Sara: Na ja, er sieht natürlich ziemlich gut aus … (lacht). Ich hatte keine Ahnung, wie es ist, ein Buch zu schreiben und es zu veröffentlichen. Er hatte das alles schon durchgemacht und war trotzdem so mutig und so großzügig, mich zu fragen. Ich finde diese Großzügigkeit an Mats einfach unglaublich. Und er hat nie, nicht eine Sekunde, gesagt »ich habe schon drei Bücher geschrieben, ich kenne mich damit besser aus als du«.
Mats: Das liegt daran, dass ich mich in diesem Prozess mindestens genauso als Anfänger fühle. Es ist ein neues Genre für mich und ich habe auch noch nie mit jemandem gemeinsam geschrieben.
Und worin liegen Saras Stärken?
Mats: Sara hat sehr, sehr viel Fantasie. Und sie kommt nicht nur sehr schnell auf gute Ideen, sondern analysiert sie auch sofort. Ich muss über so etwas tagelang nachdenken, aber sie überlegt direkt »das würde dazu führen, das dazu usw., aber nein, so funktioniert das nicht« . Ich sage dann »okay, ich habe noch nicht einmal die Idee zu Ende gedacht, aber okay…«
Sara: … er übertreibt!
Mats: Nein, gar nicht – außerdem achtet Sara unglaublich auf Details. Sie hat mir eine ganze Menge über Strukturierung beigebracht und dass sich so langweiliges Zeug wie Excel-Tabellen über die Personen anzulegen – was für Kleidung sie tragen und wie die Tapete in ihrem Zimmer aussieht – am Ende auszahlt. Das ist die beste Gabe überhaupt.
Was hat Euch beim gemeinsamen Schreibprozess genervt? Gab es kontroverse Diskussionen?
Mats: Erst nachdem wir den Zirkel geschrieben hatten und gefeiert haben, dass endlich ein Buch daraus geworden ist, ist uns klar geworden, wieviel Angst wir beide hatten, dass wir uns streiten oder während des Schreibens furchtbare Dinge über uns herausfinden würden.
Sara: Wir hatten beide die gleiche Wahnvorstellung und haben uns gefragt, ob der Verleger unsere Therapie bezahlen würde, falls wir ernsthaft in Streit geraten würden …
Mats: … noch haben wir das nicht gebraucht.
In welchem Genre würdet ihr selbst das Buch verorten? Thriller, Fantasy, Entwicklungsroman?
Mats: Als wir angefangen haben zu schreiben, haben wir uns keine Gedanken über Genres gemacht. Wir wussten nur, dass wir ein Buch schreiben wollten, das wir selbst gerne lesen würden. Wir mögen Teenager-Dramen, wir mögen Horror und Fantasy und wir mögen gern epische Geschichten, die viele Seiten haben. Unser Buch ist also eine Mischung aus allem, was wir mögen.
Sara: Beeinflusst hat uns »Buffy – Im Bann der Dämonen«, diese Fernsehserie, und »So finster die Nacht«, ein schwedischer Vampirroman von John Ajvide Lindqvist, weil er Elemente aus dem Horrorgenre mit realistischen, traditionellen schwedischen Alltagsgeschichten mischt.
Was reizt euch so sehr an magischen Stoffen? Und warum mögt ihr Fantasy so gern?
Sara: Als Teenager erlebt man oft Situationen, in denen man machtlos ist, gleichzeitig erwarten die Leute aber viele Dinge von dir. In dieser Zeit kann es sehr verlockend sein, sich in seinen Träumen magische Szenarien auszumalen. Das Aufregende an fantastischer, spekulativer Literatur ist doch immer, ein Element hinzuzufügen, das in unserer Welt nicht existiert, und abzuwarten, was passiert, wie die Menschen reagieren, was ändert sich und was ändert sich nicht.
Die Probleme, mit denen Jugendliche es heute zu tun haben, spielen in eurem Buch eine große Rolle. Jeder Charakter hat sein Päckchen zu tragen wie jede Leserin auch. Glaubt ihr, dass das Buch ihnen weiterhelfen kann?
Mats: Wir haben viele wunderbare Briefe bekommen von Leuten, die das Gefühl hatten, ihnen habe unser Buch geholfen. Aber es wäre doch anmaßend zu behaupten »hey, wir wissen so viele Antworten, wir müssen sie nur mit der ganzen Welt teilen«. Aber auf jeden Fall haben wir viel darüber diskutiert, welche Verantwortung wir gegenüber unseren Lesern haben.
Sara: Wir hoffen, dass die Leser ein Teil des »Zirkels« werden und sich in die Geschichte hineinversetzen können, dass es ihnen vielleicht sogar gelingt, sich mit Figuren zu identifizieren, die ganz anders sind als sie selbst, altersmäßig oder was ihre Persönlichkeit betrifft. Ich hoffe, dass das möglich sein wird.
Welchem Charakter der Mädchen fühlt ihr euch persönlich am nächsten?
Mats: Manchmal, wenn ich ein Kapitel schreibe, bin ich einfach froh, dass es ein Vanessa-Kapitel ist, weil sie so leicht und unbeschwert ist. Sie lässt sich einfach von ihren Gefühlen leiten, ist sehr ehrlich und mutig und verkompliziert die Dinge nicht – darin unterscheidet sie sich stark von mir – und das kann sehr erholsam sein.
Sara: Ich war als Teenager ähnlich wie Minoo und ganz und gar nicht wie Vanessa, das Party-Girl. Aber es hat Spaß gemacht, Vanessas Kapitel zu schreiben, denn dann muss man sich in eine völlig andere Person hineinversetzen. Ich glaube, wir beide haben ein Faible für Anna-Karin, weil sie ein so verletzlicher Charakter ist. Viele unserer Leser finden sie unangenehm. Wir haben schon beim Schreiben gemerkt, dass viele sie nervig finden könnten, weil sie nie das tut, was man von ihr erwartet. Sie benimmt sich nicht wie das perfekte Opfer. Manchmal habe ich das Gefühl, Anna-Karin in Schutz nehmen zu müssen. Sie ist für die Leser sicher nicht die Lieblingsfigur.
Wie erklärt ihr euch den riesigen Erfolg der Engelsfors-Trilogie in Schweden?
Sara: Wir werden oft gefragt, wann wir realisiert haben, dass es ein Erfolg werden würde. Und ich bin nicht sicher, ob wir es überhaupt realisiert haben… Es ist ein seltsames Gefühl.
Mats: Das, worüber viele Leser uns schreiben oder mit uns reden, sind die Charaktere; dass sie ihnen ans Herz gewachsen sind.
Sara: Die jüngere Generation hat sich offenbar nach dieser Art von Buch gesehnt, das die schwedische Umgebung und Alltagsprobleme Jugendlicher anspricht, denn ein Großteil der Jugendliteratur, die aus Amerika kommt, ist irgendwie unspezifisch und oberflächlich. Sie dürfen nicht über Sex oder Drogen schreiben, all diese Dinge, mit denen Jugendliche aber tatsächlich ständig konfrontiert sind.
Wie wäre es, wenn ihr eurem 17-jährigen Teenager-Ich begegnen würdet? Was würdet ihr ihm sagen?
Mats: Wenn ich den 17-jährigen Mats treffen würde, würde ich ihm wahrscheinlich sagen … oder versuchen ihn davon zu überzeugen: »Nimm nicht immer alles so ernst und nicht immer so persönlich. Mach das, was du willst, anstatt immer nur andere beeindrucken zu wollen«. Aber der 17-jährige Mats würde natürlich niemals auf mich hören, denn ich bin nur ein alter Knacker, der von nichts eine Ahnung hat.
Sara: Wenn ich der 17-jährigen Sara begegnen würde, würde ich ihr wahrscheinlich sagen: »Hab keine Angst, deine Unsicherheit zu zeigen – jeder Mensch ist unsicher, auch wenn man es von außen vielleicht nicht sieht. Hab keine Angst!«