Inhaltsangabe:
Viel spiegelt sich in diesen kleinen geschliffenen bunten Glassteinen. Die Magie der Schönheit, die Geschichte einer spannenden
Kulturlandschaft und eines traditionsreichen Handwerks. Für all
das steht auch die Firma Prade, die zwischen 1922 und 1995 Modeschmuck schuf. Zuerst in Gablonz, später nach dem Zweiten
Weltkrieg und dem Neuanfang in Deutschland in Schwäbisch Gmünd.
Die Geschichte der Firma Prade ist eng mit dem Glasbläserhandwerk in Böhmen und der Modeschmuckherstellung in Gablonz,
der Gablonzer Bijouterie verbunden.
Denn dort florierte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Schmuck- und Glasindustrie, die der Stadt an der Neiße Wohlstand brachte. Nach dem Krieg und der Ansiedlung in Schwäbisch Gmünd konnte die Familie Prade nicht nur ihre internationalen Geschäftsbeziehungen wieder aufgreifen, sondern auch auf ihren schier unerschöpflichen Ideenreichtum bauen.
Ungewöhnliche Schmuckstücke aus Glas in allen erdenklichen Farben und Formen sind im Laufe der Zeit entstanden. 30.000 Ringe, Colliers, Ohrringe und Broschen, immer höchst originell aber auch die Trends der großen Modehäuser aufgreifend.
Der reich bebilderte und sorgfältig
ausgestattete Band dokumentiert
nicht nur eine der wenigen vollständig erhaltenen Modeschmuckkollektionen,
sondern zeigt darüber hinaus die verschiedenen Werkzeuge und Herstellungsarten. Hinter dem schönen Schein steckt mehr als die reine Faszination an Form und Farbe.
Críticas:
Mit dem von Dr. Cornelie Ueding herausgegebenen Bildband liegt nun eine Reminiszenz an die Familie Prade vor, die bezaubert. Allein schon um des einleitenden Aufsatzes Böhmen liegt am Meer willen, ist dieses Opus für jeden von Interesse, der ein offenes Ohr hat für den artistischen Klang dieser mitteleuropäischen Kulturlandschaft und Gablonz insbesondere, dieses virtuose Gefüge aus Kunst, Handwerk und Handel , wie Ueding auf dem Umschlag schreibt. Der Tübinger Komparatistik-Professor Jürgen Wertheimer spürt zusammen mit Ueding der Familiengeschichte nach, indem er sie soziologisch und politisch einbettet in die Tragödien und Umbrüche des 20. Jahrhunderts: Nationalismus, Krieg und Vertreibung und Wiederaufbau im Westen. Eindrucksvoll beschreibt Wertheimer, wie wenige Jahre nach Kriegsende alte Geschäftsbeziehungen wieder aufleben: 1948 steht Mr. Rosenblatt aus New York vor der Tür. Die halbe Welt ist zugrunde gegangen. Aber die Verbindung zwischen ein paar Menschen steht wie eh und je. Bis 1995 auch für die Firma Prade, die niemals als Marke in Erscheinung trat, der immer schwerer gewordene Markt endgültig zusammenbricht. Bis dahin haben Richard Prade und nach seinem Tod 1966 die Töchter Marianne Döbbelin und Irmentraut Prade eine Kollektion von rund 30000 heute noch erhaltenen Prototypen aufgebaut. Der Band würdigt ein weiteres Verdienst: Nicht mehr die happy few einer aristokratischen oder pekuniären Elite waren die Zielgruppe, sondern die Masse. Die Preziosen darunter sind nun eindrucksvoll der Vergessenheit entrissen. (Schwäbische Zeitung vom 20.3.2009)
Ein prüfender Blick: Das ist nicht echt! Und darum wertlos? Modeschmuck wird allzu leicht reduziert auf seine Eigenschaft als Echtschmuckimitat: Geschliffenes Glas, das je nach Metallzumischung dunkel glänzende Rubine, geheimnisvolle Smaragde in prunkvollen Fassungen kopiert. Schaut man aber einzelne Stücke, besonders die der erfolgreichen Firma Prade genauer an, fällt sofort die handwerkliche Präzision ins Auge. Glasmaler waren hier am Werke, ausgebildete Gürtler für die Metallfassungen. Die jüngere der beiden Prade-Schwestern hatte sogar Goldschmiedin gelernt. Alles ist handmontiert, oft in Filigrantechnik aufgebaut, immermit einem Lot verlötet, das in der Legierung dem verwendeten Material entspricht. Und darum verträgt Prade-Modeschmuck auch die enorme fotografische Vergrößerung, die ihm jetzt in 700 Abbildungen in dem Prachtband Karfunkelschein zuteil wird. Prade eine Firmengeschichte, die zwischen 1922 und 1995 von Gablonz aus nicht unwesentlich die internationalen Trends der Modeschmuckfabrikation bestimmte und sich nach dem Krieg erfolgreich in Schwäbisch Gmünd fortsetzte. Der quarzhaltige Boden und die riesigen Wälder Böhmens ließen seit dem Mittelalter im Isergebirge florierende Glashütten entstehen, Anziehungspunkt, ja wahrer Schmelztiegel von Menschen unterschiedlichster kultureller Herkunft. Im 18. Jahrhundert waren die zierlichen Riech- und Schnupftabak-Fläschchen Exportschlager. Der Technologie, Glasfluss in großem Maße für die Edelsteinimitation einzusetzen, folgten Firmengründungen, die sich in Gablonz konzentrierten. In den 1920er Jahren lebten hier rund 4500 Menschen von der Fabrikation und dem Handel mit Glas und Modeschmuck. Erst seit etwa zehn Jahren interessiert man sich für die Impulse, die Gablonz nach dem Krieg in neuen Niederlassungen hinterließ. Schnelllebig und experimentierfreudig Modeschmuck ist mit Echtschmuck nicht zu vergleichen. Während letzterer durch die Edelmaterialien von bleibendem Wert als zeitlos gilt, ist Modeschmuck, immer in direktem Bezug zur Mode entworfen, schnelllebig und, was Formgebung und Technik angeht, viel experimentierfreudiger. Etwas ganz besonderes sind darumdie farb- und formintensiven Broschen mit großen Steinen, die es seit den 50er Jahren in immer neuen Varianten gibt. Auch in Ketten, Colliers, Armbändern, großen Ohrclips, Manschettenknöpfen benutzte man die facettierten Fünf- und Achtecksteine, Muranoperlen, Swarovski-Mosaiksteine und verspielte Mondsichelsteine. Der Schmuck im Courrèges-Stil mit Schwarz-weiß-Steinen ist besonders hinreißend. Richard Prade (1895 1966), mit eigener Werkstatt in Gablonz seit 1922, war zweifellos einer der ganz großen Virtuosen, der mit gestalterischer Sicherheit in ersten Schmuckskulpturen das Art-déco- Formenarsenal aufgenommen hatte. Selbstbewusst umspielt er in und nach dem Krieg das Gegensatzpaar Echt/Imitat bei Knöpfen, Gürtelschließen, Weihnachtsengeln mit Materialresten. Gebogene Platten, zu Schlaufen verschlungene Bänder, Hammerschlag sind frühe Gestaltungselemente. Im Buch wird eine Chronologie in die rund 30000 erhaltenen Schmuckmodelle gebracht, in Form katalogähnlicher Einordnung von Technik, Material, Farbgebung, Stil. Der Picasso des Modeschmucks befand sich deutlich an der Schnittstelle zwischen Kunst, Kunsthandwerk und Design. Werkzeuge, Auftragsbücher, Entwurfsskizzen, Kalkulationsblätter, Farbkarten für Schliffsteine Werkstattimpressionen runden die Erfolgsgeschichte zum eindrücklichen Bild ab. Um mit Heinrich Heine zu sprechen: Prade kreierte auffallend originelle Zuckerschoten für jedermann . (Badische Zeitung vom 21.4.2009)
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