Richters »Die Krise der Männlichkeit in der unerwachsenen Gesellschaft« jedenfalls ist eine lehrreiche und notwendige Rückerinnerung an eine Entwicklung, die wir, Frauen und Männer gemeinsam, unbedingt umkehren müssen, sollen wir, unsere Kinder und Kindeskinder sowie unsere gesamte Welt noch eine irgendwie geartete zivilisierte Zukunft haben. (sandammeer.at)
Männer unter Zugzwang Weniger politisch als sozialgeschichtlich argumentiert in diesem Zusammenhang einer, der seit Jahrzehnten beobachtet, was aus uns wird: Der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter diagnostiziert »Die Krise der Männlichkeit in der unerwachsenen Gesellschaft«. Ihn beschäftigen nicht Top-Karrieren oder Geburtenflaute, sondern neue Möglichkeiten des Miteinanders. Die Männer, sagt er, stehen jetzt unter Zugzwang, sofern sie in Gesellschaft von erfolgreich konkurrierenden Frauen, die längst traditionell männliche Eigenschaften adaptiert haben, nicht zum Auslaufmodell werden wollen. Richter fordert von ihnen mehr »psychologische Weiblichkeit« Erst dann sei ein ebenbürtiges Miteinander möglich. Seine zivilisationshistorische Abhandlung ist ein Abgesang auf den »Stärkekult« und ein Appell an die emotionale Intelligenz beider Geschlechter. Er wagt die Utopie einer vernunftvollen, global denkenden, selbstverständlich emanzipierten Gesellschaft, in der der »kleine Unterschied« endlich, endlich, keine großen Folgen mehr haben muss. (Buchjournal 4/2006)
Wann ist ein Mann ein Mann? Die Frage ist prekärer denn je: Der bis in die rasierten Achselhöhlen hinein gepflegte Mann der »Metrosexualität« hat neuerdings einem wiederauflebenden Kult männlicher Stärke und Raubeinigkeit Platz gemacht. Horst-Eberhard Richter, renommierter Psychiater und Autor mehrerer internationaler Bestseller, betrachtet diese Renaissance des Hagen-von-Tronje-Typus mit skeptischer Besorgnis. Seine Diagnose einer »Krise der Männlichkeit« zielt also nicht auf die Gefahr einer Entmännlichung, einer »Männerdämmerung« im Sinne Frank Schirrmachers, sondern auf deren Gegenteil: auf den phallischen »Machtehrgeiz« und dessen »Wettlauf im System des Stärkekults«. (Literaturkritik Nr. 4, April 2007)
An sein Hauptwerk »Der Gotteskomplex« anknüpfend, untersucht der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter das Schwinden von Menschlichkeit im Rausch der wissenschaftlich-technischen Revolution. Von den erfolgreich konkurrierenden Frauen eingeholt, müssten die Männer ihrerseits mehr psychologische Weiblichkeit entwickeln, um den Ausfall an sozialen Bindungskräften wettzumachen. Geht das Vertrauen in die wechselseitige Abhängigkeit allen Lebens verloren, würde sich die Armutskluft noch verheerender erweitern, und der illusionäre Stärkekult würde die Komplizenschaft von fundamentalistischem Terror und kriegerischer Gegengewalt verewigen. Prominente Zeugen wie McNamara, Sacharow, Weizenbaum, Russell u.a. bekräftigen Richters Mahnung.
Psychoanalytisch-therapeutische Erfahrungen über die Fortwirkung der Nazizeit in den Seelen der Kriegsgeneration, der Kinder und Enkel bis hin zur RAF ergänzen einen psychologischen Rückblick auf geistesgeschichtliche Wurzeln der Moderne.
Gegenwärtig beobachtet Richter, wie sich aus allen fünf Kontinenten Frauen und Männer ebenbürtig zu einer Bewegung für eine »andere Globalisierung« zusammentun. Sie kommen aus unterschiedlichen Ethnien, Religionen, sozialen Schichten. Ihre Zuversicht beweisen sie, indem sie durchweg für ihr gemeinsames Ziel praktisch engagiert sind: »Die Kritik des Falschen ist das eine, der praktische Einsatz für das Bessere ist das andere.«