Críticas:
Warum, so könnte man sich als Fachkollege etwas irritiert fragen, brauchen wir heute noch ein Buch über »Die psychoanalytische Einfühlung«, also über etwas, das wir in unserem täglichen Tun als so selbstverständlich und vor allem: als gegeben voraussetzen. Der italienische Psychoanalytiker Stefano Bolognini, der sich nunmehr seit zwanzig Jahren mit dieser Thematik beschäftigt, zeigt uns mit seiner bestechenden Studie, daß wir diese Begriffsklärung, gerade in Zeiten eines komplexen klinischen und theoretischen Schulenpluralismus, dringend brauchen. Denn ich vermute, daß schon der Titel bei nicht wenigen Lesern - und ich gestehe: mir erging es anfangs ähnlich - ein inneres Ressentiment weckt, auf das Bolognini bei seinen ausgedehnten Forschungsreisen nicht selten stieß: Die Einfühlung, durch Übersetzung und Rückübersetzung ins Englische uns eher als »empathy« vertraut und zugleich suspekt, ist zumeist diskreditierend mit der »Aura des Vereinfachenden, stets Wohlwollenden, Süßlichen« (S. 16) und »einlullender Bemutterung« assoziiert. Eine uns verdächtig vorkommende Aufladung dieses Wortes, der wir uns mit dem raschen Verweis, die Einfühlung sei ja gar kein psychoanalytischer Begriff, ergo brauchen wir uns damit auch nicht zu beschäftigen, zu entledigen versuchen. Zum Glück hat sich Bolognini durch diese Vorbehalte nicht entmutigen lassen, ohne gleichwohl zum idealisierenden Robin Hood dieses in der »community« geschmähten Begriffes zu werden. Er hat vielmehr in bester analytischer Tradition als Forscher und Kliniker zunächst versucht, das Wort und seine Schicksale nachzuzeichnen. Im ersten Teil seiner »Historischen Rekonstruktion« spannt er einen weiten Bogen vom ersten Auftauchen dieses Wortes in der deutschen Romantik, namentlich bei Novalis, über Freud zu den Pionieren H. Deutsch, S. Ferenczi und R. Fliess hin zum Verschwinden und Wiederauftauchen in den 50er Jahren insbesondere in der anglo-amerikanischen Literatur. Er zeichnet die Schicksalslinien ferner in der Kleinschen und post-Kleinschen Konzeptualisierung nach und beschließt seine Rekonstruktion mit einem italienischen Beitrag, der sich mit dem weitgehend unbekannten Savo Spazal und der »vergleichenden Analyse« befaßt. Schon in diesem ersten Teil, der in einigen Kapiteln leider zu knapp und kursorisch geraten ist, zeigt uns Bolognini nicht nur, daß er ein sehr sorgfältiger und gebildeter Forscher ist, dem es auf bemerkenswert spielerisch anmutende Weise gelungen ist, sich von den angrenzenden Disziplinen wie den »schönen Künsten« sowie der Philosophie inspirieren zu lassen, sondern auch, daß Begriffe immer schon und zu allererst Werkzeuge unseres Denkens sind, mit deren Hilfe wir die Welt und somit auch die Innenwelt unserer Patienten zu dechiffrieren versuchen. (Psychoanalyse im Widerspruch, 17. Jahrgang, 2005, Heft 34, S. 119-121.)
Reseña del editor:
Mit dem Patienten fühlen, über den Patienten nachdenken: Das Buch analysiert die psychoanalytische Behandlung unter dem Begriff der Einfühlung. Hierdurch gelingt es, bis zum Kern der Beziehung Patient-Therapeut vorzudringen.
„Über diesen Titel“ kann sich auf eine andere Ausgabe dieses Titels beziehen.