Zwei Außenseiter, zwei Freunde und ein gut gehütetes Geheimnis
Über zwanzig Jahre lang hat Simon seinen Jugendfreund Karnstedt nicht mehr gesehen. Jetzt ist Karnstedt verschwunden, und Simon wird gebeten, sich um den Nachlass zu kümmern. Bei Simons Ankunft ist das Haus verwüstet. Karnstedts Auto und ein paar Kleidungsstücke am Strand sind das Einzige, was von ihm gefunden wird. Ein lange zurückliegendes Geheimnis der beiden Freunde scheint der Grund für die rätselhaften Ereignisse zu sein.
Die Inhaltsangabe kann sich auf eine andere Ausgabe dieses Titels beziehen.
Alexander Häusser, Jahrgang 1960, studierte Germanistik und Philosophie in Tübingen und lebt heute mit seiner Familie in Hamburg. Er schreibt Romane, Erzählungen und Drehbücher. Seine Erzählung „Zeppelin!“ wurde für das Kino verfilmt. Für seine Arbeit an „Karnstedt verschwindet“ erhielt Alexander Häusser den Literaturförderpreis der Freien und Hansestadt Hamburg.
",Karnstedt verschwindet' gehört zu den ergreifendsten Romanen der Saison. Ach was, der letzten Jahre!"
Spiegel online
"Die faszinierende Geschichte einer gefährlichen Freundschaft."
Peter Henning, Focus
"Kurz, prägnant und gut geschrieben."
Hamburger Morgenpost
Farming, 3. September
Seit gestern beheize ich sein Arbeitszimmer wieder. Ich musste mich überwinden, den Raum noch einmal zu betreten, aber die Kälte drückte an die Tür und durch die Ritzen, es war einfach nicht mehr auszuhalten. Jetzt ist es besser. Obwohl mir unangenehm ist, wie die Wärme dieses Zimmer, in dem sich Karnstedt sicherlich die meiste Zeit aufhielt, sonderbar zu beleben scheint.
Ich meine nicht die Geräusche. Überall um mich herum knackst und rumpelt, poltert und pfeift es, und am Anfang schlich ich nachts oft im Schlafanzug durch das alte Haus, klopfte die Wände ab und drehte an den Heizungsventilen - bis ich es schließlich aufgab, den Geräuschen auf den Grund zu gehen. Nein, das stört mich nicht mehr; es ist eine andere Unruhe, die jetzt von diesem Zimmer ausgeht. Als sei mit der Wärme auch das Leben zurückgekehrt, als drängte eine Kraft danach, endlich die Ordnung in diesem Raum wiederherzustellen - die leeren, geöffneten Schubladen wieder einzuräumen und zu schließen, die Bücher zurück an ihren Platz zu stellen, die Papiere und Fotos zu sichten. Ich ließ das Zimmer, wie ich es bei meiner Ankunft vorgefunden hatte: verwüstet. Doch solange es kalt war und der muffig feuchte Geruch durch die Ritzen drang, fiel es leichter, mir vorzustellen, dass irgendeine Gewalt Karnstedt aus seinem Alltag gerissen hatte, ein Ereignis oder vielleicht seine seelische Verfassung es ihm unmöglich machten, sein Leben und die Arbeit fortzusetzen, dass er einfach verschwunden war, unauffindbar. Jetzt hingegen ertappe ich mich oft dabei, wie ich zu der geschlossenen Tür des Zimmers blicke in der Erwartung, Karnstedt würde sie im nächsten Augenblick öffnen und vor mir stehen.
Er muss wie ein Wahnsinniger getobt haben. Gerade hier angekommen, stand ich gebückt in dem niedrigen Türrahmen, hielt die Reisetasche noch in der Hand. Winthrop konnte die alte Tür nur unter Anstrengung öffnen, als lehnte sich von innen jemand dagegen, und so sah ich die ganze Zerstörung, die Verwüstung des Zimmers nur durch den Spalt, der langsam breiter wurde.
"Du hast Erklärung dafür?", fragte er mich in seinem deutsch-dänischen Singsang, der kein Sie kennt. Er stakste kopfschüttelnd durch den Trümmerhaufen aus Disketten, Büchern und Ordnern, als überquere er ein Minenfeld, stieg über umgeworfene Regale, räumte einen kaputtgeschlagenen Stuhl beiseite, um das Fenster zu erreichen. Er öffnete es und atmete tief durch.
Draußen fuhr der Wind durch die Bäume, rauschte ins Zimmer und wirbelte die Zettel und Papiere auf dem Fußboden hoch.
Ich starrte in den Raum, wagte nicht, mich umzusehen. Unwillkürlich rechnete ich damit, eine Leiche zu entdecken. Wenn ein Zimmer so aussieht, dachte ich, muss es eine Leiche geben. Dann hat darin ein Kampf auf Leben und Tod stattgefunden - so nennt man das doch -, ein Kampf, den einer verloren hat, einer, der hier liegen geblieben ist, ein verdrehtes Bündel Kleidung in der Ecke. "Du hast?"
Der Anwalt konnte von mir keine Antwort erwarten. Wie sollte ich das Chaos erklären können? Ich hatte zu Karnstedt seit mehr als zwanzig Jahren keinen Kontakt mehr gehabt. Ich war sein Schulfreund gewesen - sein bester, kann man sagen. Sein einziger, das ist schon wahr.
"Und das war Grund, dir den Nachlass zu vertrauen, den Verkauf von seinem Haus?"
Bei Winthrop klang jeder Satz wie eine Frage. Ich drehte mich weg, wischte die schwitzigen Hände an meiner Hose ab und bat ihn, das Fenster wieder zu schließen.
Winthrop zeigte mir Karnstedts Abschiedsbrief. Ich hatte gehofft, er würde mich durch das ganze Haus führen. Als wir über den Hof gegangen waren, staunte ich über die Größe - ein Bauernhof für nur einen Menschen. Schuppen, Stallungen, Wirtschaftsräume. Vor ein paar hundert Jahren hatten mehrere Generationen unter diesem Dachgelebt: Knechte und Mägde, Gesinde. Ich dachte, der Anwalt würde mir all die Räume und Kammern zeigen, mir erzählen können, was für ein Leben Karnstedt hier geführt hatte. Doch ich wurde enttäuscht. Winthrop hatte es eilig, wieder wegzukommen, zog einen wackeligen Hocker unter dem Küchentisch hervor und wies mir den einzigen Stuhl zu. Auf Besuch war Karnstedt nicht eingestellt gewesen.
Winthrop legte den Brief vor mir auf den Tisch. Erwartete, aber ich nahm ihn nicht. Ich konnte die paar Zeilen auch so sehen - von Hand geschrieben, in Dänisch. Ich erkannte Karnstedts Schrift sofort, diese unbeholfenen, fahrigen Linien. In fast unleserlichen Zeilen hatte er die Buchstaben auf das Papier gekrampft, wie früher; Tintenflecke in den Heften, blau gefärbte Fingerkuppen, der geniale Glatzkopf schrieb wie ein Drittklässler. Mein Herz klopfte mir im Hals, als ich meinen Namen erkannte, meinen von seiner Hand geschriebenen Namen. Meine Anschrift. Meine Telefonnummer.
Der Auftrag, mich nach seinem "Verschwinden" zu benachrichtigen, erklärte Winthrop. Er habe ihn vermutlich einen Tag später bekommen. Von Tod sei darin keine Rede. Natürlich wurde sofort veranlasst, nach Karnstedt zu suchen. Man dachte an ein Verbrechen - Winthrop wies zum Arbeitszimmer -, doch es gab sonst keine Anhaltspunkte. Eine Woche später wurde dann sein Auto von der Polizei entdeckt, auf einem Parkplatz im Norden bei Bulbjerg, und am Strand unterhalb des Vogelfelsens fand man verstreute Kleidungsstücke. Er musste völlig nackt ins Wasser gegangen sein.
"Nicht möglich, dass man deinen Freund noch findet - wegen die Strömung und Sog von Flut?"
Das war keine Frage. Winthrop stützte sich ab, lehnte sich über den Tisch zu mir.
"Dein Freund konnte schwimmen?"
Die Dielen knarrten bei seiner Bewegung. Ich spürte das Vibrieren der Holzbretter unter meinen Füßen. Die Erinnerung kam.
Karnstedt rannte vor mir über den Badesteg in die Dunkelheit - rannte mit dumpfen Schritten zum schwarzen vom Nachthimmel glänzenden See, kippte ins Nichts, das ihn verschluckte, in die Stille. Bis sein kahler Kopf wieder auftauchte, vor mir, ein Stück entfernt schon, im Wasser auf- und abtauchte. Wir riefen uns beim Namen. Es gab nichts Schöneres, als in der Nacht den eigenen Namen zu hören - unsere Namen an unserem See. Karnstedt durchschnitt seine Oberfläche, an den Schnitten blinkte weißes Mondlicht, und das Wasser perlte an seiner Fischhaut ab. Trocken und kühl fühlte sie sich an. Wir lachten uns zu. Ob er schwimmen konnte? Wie eine Forelle.
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Softcover. Zustand: Sehr gut. Eine spannungsgeladene Geschichte über zwei Außenseiter, deren alte Freundschaft und ein gut gehütetes Geheimnis. Als sein langjähriger Jugendfreund Karnstedt verschwindet, macht sich Simon auf den Weg, um das Geheimnis zu ergründen. Zustand: Einband mit geringfügigen Gebrauchsspuren, insgesamt SEHR GUTER Zustand! Stichworte: Genres: Roman, Literatur, Mystery; Schlagworte: Karnstedt, Freundschaft, Geheimnis, Spannung, Abenteuer, Roman, München, Jugend, Vergangenheit, Verschwinden. 176 Seiten Deutsch 190g. Artikel-Nr. 356356
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