Restrukturierung und Macht: Fallstudie einer Konzernreorganisation - Hardcover

Georg von Willich hat in mehrerer Hinsicht eine außergewöhnliche Arbeit vorgelegt: Im Mittelpunkt steht der komplexe und vielschichtige Fall der Restrukturierung eines Handelskonzerns, der aus einer mikropolitischen Perspektive diskutiert wird. Es ist dem Autor gelungen, eine äußerst intensive Fallstudie vorzulegen, in die er empirisches Material aus teilnehmender Beobachtung, Interviews und Dokumentenanalyse einbringt und verarbeitet. Eine wesentliche Voraussetzung für die sehr detaillierte Untersuchung war die Einbindung des Autors in das Projekt der Restrukturierung als freier Mitarbeiter. Dies ermöglichte einen sehr privilegierten Zugang zum Untersuchungsfeld. Der Autor reflektiert und diskutiert seine eigenen Rollen als Mitarbeiter und Forscher in der Arbeit (S. 11-12), was nicht nur im Kontext einer mikropolitischen Fallstudie, sondern generell als ein Qualitätsmerkmal von qualitativen Studien gelten kann. Allerdings fällt diese Reflexion relativ kurz und nur sehr generell aus. Auch wenn eine gewisse kritische Neutralität zum Verlauf des Reorganisationsprojekts durch den im Unternehmen dafür zuständigen Personalvorstand offiziell erwünscht war, so wurde inoffiziell und bei anderen Akteuren die Einbindung und Mitarbeit eines freien Mitarbeiters möglicherweise mit (verhaltener) Skepsis aufgenommen. Gerade im Kontext von Mikropolitik stellen sich auch Fragen nach der politischen Rolle der ForscherInnen. Dabei kann es etwa um die interessengeleitete Informationsweitergabe im Rahmen von Interviews, den Einfluss der Anwesenheit eines freien Mitarbeiters im Rahmen von Sitzungen oder den gezielten Ausschluss des Autors aus (informellen) Diskussions- und Verhandlungsprozessen gehen. Das empirische Material, insbesondere aus den Interviews, könnte hier aus unterschiedlichen Perspektiven (vgl. z.B. Alvesson, 2003), vor allem aber aus einer politischen Sichtweise reflektiert werden, um die mikropolitische Rolle des Forschers und ihren Einfluss auf die Forschungsergebnisse zu hinterfragen. Trotz dieser allgemeinen methodischen Einwände stellt diese Fallstudie eine sehr aufschlussreiche und interessante Untersuchung dar. Sie wird ihrem Anspruch gerecht, dem in der Betriebswirtschaftslehre vorherrschenden Paradigma einer sachlich-technischen Rationalität der Organisation ein alternatives Handlungsmodell gegenüberzustellen, in dem die Aspekte von Macht, Mikropolitik, Ambiguität, Prozessualität etc. mit berücksichtigt werden (S. 10). Der Autor stellt zunächst den Fall sehr ausführlich vor und diskutiert ihn dann aus einer durchaus ungewöhnlichen theoretischen Perspektive. Damit komme ich zur zweiten Besonderheit von Restrukturierung und Macht , nämlich die Verwendung der Figurations- und Prozesstheorie von Norbert Elias. Dieser theoretische Zugang hat bisher relativ wenig Beachtung in der Organisations- und Personalforschung gefunden, obwohl Elias theoretische Konzepte gerade im Kontext eines mikropolitisches Verständnisses von Organisationen durchaus anschlussfähig sind. Von Willich gelingt es durch die Darstellung, Diskussion und Anwendung der drei zentralen theoretischen Fixpunkte (Figurationen, soziale Prozesse und Machtbalancen), eine eigenständige theoretische Position zu beziehen, die eine Reihe von Stärken aufweist. (Die vollständige Rezension finden Sie auf der Website der ZfP). ... (von Prof. Dr. Manfred Auer) (Zeitschrift für Personalforschung, 3/2011, S. 276-278)

Großes tut sich in einem DAX-Konzern. Neben einer Neuausrichtung der Unternehmensstrategie planen die Vorstände von Holding und Konzernunternehmen auch eine tiefgreifende und konzernweite Reorganisation der Strukturen. Dabei verfügen die projektleitenden Vorstände über nahezu unbeschränkte Ressourcenzugriffe und Handlungsspielräume. Anfängliche, ohnehin nur sehr vorsichtig geäußerte Bedenken und Vorbehalte sind auf diese Weise schnell überwunden, und die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen kann beginnen. Doch nur wenige Wochen später sind alle zentralen Protagonisten der Projekte aus dem Unternehmen ausgeschieden bis hin zum zuvor allmächtig scheinenden Vorstandsvorsitzenden. Ihnen allen wird zum Verhängnis, daß sie die allmählich sich wandelnden Machtverhältnisse viel zu spät wahrnehmen und dann keine Chance mehr haben, hierauf zu reagieren. Die scheinbar ausmanövrierten Opponenten des Wandels übernehmen die Macht. Die vorliegende Arbeit bietet die sehr seltene Gelegenheit, all diese Vorgänge auch und insbesondere auf der ersten Ebene ausführlich und in allen Facetten mitzuverfolgen. Es wird gezeigt, wie durchgehend gerade dort Mikropolitik das Geschehen prägt und wie unter solchem Einfluß selbst scheinbar härteste Fakten wachsweich und scheinbar unantastbare Akteure nahezu über Nacht völlig machtlos werden können. Dem Mythos von ökonomischer Vernunft und handlungsmächtigen 'great men' wird eine stark relativierende Perspektive sozialen Handelns in Organisationen gegenübergestellt. Erst im Wissen um die Wirkungsweisen solcher vielfach tabuisierter und damit zumeist dem 'Halbwissen' überlassener Prozesse und Mechanismen wird es in der Folge möglich sein, die Bereiche der Kontrolle nach und nach auszuweiten.